Wer mit nachhaltigen IT-Lösungen auf ressourcenschonende Alternativen setzt, leistet nicht nur einen immer dringenderen Beitrag für die Umwelt. Auch im Wettbewerb wird Verantwortung für Mensch und Natur mehr und mehr zum Faktor. Zu diesem Fazit kamen namhafte Expert:innen aus ganz Europa beim digitalen #CHGsummit2021. Für Unternehmen bedeute das: zusätzliche Herausforderungen, vor allem aber auch große Chancen.
Drei Botschaften zogen sich als roter Faden durch die Veranstaltung:
Dr. Adriana Neligan vom Institut der deutschen Wirtschaft brach eine Lanze für die aus ihrer Sicht zwingend notwendige Veränderung bisheriger Produktions- und Konsummuster. „Wir müssen von der Wegwerfkultur hin zu einem Weg, der weniger Ressourcen verbraucht, diese mehrfach verwendet oder durch klimafreundliche Alternativen ersetzt.“ Für Adriana Neligan ergeben sich daraus zwei klare Aufträge: „Wir müssen die Produkte künftig länger im Einsatz behalten. Oder IT-Infrastruktur gar nicht erst kaufen, sondern beispielsweise mieten oder leasen, was andere Möglichkeiten für eine Zweitverwertung bietet.“
Nachhaltigkeit ist für sie der Schlüssel zu zukunfts- und widerstandsfähigen Geschäftsmodellen. Wer auf bedarfsorientierte IT setzt, spare wertvolle Ressourcen und bleibe wettbewerbsfähig. Tatsächlich seien die Einsparpotentiale keineswegs erschöpft. Jedes zweite deutsche Unternehmen glaubt laut einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, dass es bei optimaler Anwendung der technischen Möglichkeiten noch Spielraum nach oben geben würde. „In der Industrie wäre eine weitere Reduzierung von acht Prozent des aktuellen Ressourceneinsatzes möglich. Das entspricht 10 Milliarden Euro – 1 Prozent der industriellen Wertschöpfung.“ Die Digitalisierung sei hier ein wichtiger Hebel, weil sie hohe Effizienz durch ständig aktuelle Daten ermögliche und die Produktion in Echtzeit optimal steuere.
Adriana Neligan verwies auch auf politische Vorgaben, die Unternehmen immer mehr in die Pflicht nehmen. So plant die EU beispielsweise, die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Hinblick auf den Berichtskreis der Unternehmen deutlich zu erweitern und das Format zu vereinheitlichen. In Deutschland werden Sorgfaltspflichten durch das Lieferkettengesetz aktuell konkret angegangen. Nachhaltigkeit dürfe aber trotz allem kein Lippenbekenntnis bleiben. Sie muss in der Unternehmensstrategie fest verankert sein. „Nur so kann sie gelebter Teil der Unternehmenskultur werden“, so Dr. Neligan abschließend.
“Rohstoffe sind ein erheblicher Kostenfaktor. Ressourceneffizienz – also das Verhältnis eines bestimmten Nutzens, Produktes oder einer Serviceleistung zum nötigen Ressourceneinsatz – ist ein wichtiges Thema in Unternehmen. Mithilfe der Digitalisierung lässt sich die Ressourceneffizienz nicht nur leichter messen, auch Einsparpotentiale können so besser erkannt und genutzt werden.“
Ein Punkt, den Elin Bergman, eine der führenden Circular Economy-Expert:innen Skandinaviens, in ihrem Vortrag ebenfalls aufgriff. „Weniger schlecht zu sein als vorher reicht nicht. Wir brauchen grundlegende Änderungen und müssen tun und nicht nur reden“, forderte die Schwedin, die u.a. Sprecherin und COO des schwedischen Kreislaufwirtschaftsnetzwerks Cradlenet ist.
Elektronischer Abfall ist für sie „eine Ressource am falschen Platz. Nur knapp 20 Prozent werden recycelt. Dabei könnte alles wiederverwertet werden.“ Diese These untermauerte sie mit weiteren eindrucksvollen Fakten:
Angesichts solcher Zahlen stellte Elin Bergman die Frage, „ob wir uns auf die richtigen Dinge fokussieren“. Es brauche noch viel an Bewusstseinsbildung und an Anreizen, die zu mehr nachhaltigen Entscheidungen in Unternehmen beitragen. Nur so könne es gelingen, „from greed based to need based economy“ zu kommen – von der Gier zum wirklichen Bedarf, fand sie kritische Worte in Richtung Wirtschaft: „Der Schlüssel dazu ist Zusammenarbeit und Digitalisierung.“
Dr. David Greenfield berät Unternehmen und öffentliche Institutionen zu Themen wie Klimawandel, Ressourcenmanagement und Kreislaufwirtschaft. Für den Briten ist es essentiell, „Wert entlang des gesamten Lebenszyklus eines IT-Gerätes zu generieren. Erfolgreiche Projekte sind der beste Garant für Akzeptanz. Individuelle Konzepte ermöglichen den Unternehmen, mit dem Tempo der Digitalisierung mitzuzuhalten und gleichzeitig einen aktiven Beitrag zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu leisten.
Nutzen statt besitzen spielt dabei eine wesentliche Rolle, auch weil die Kosten so überschaubar bleiben.“ Optimistisch stimmt ihn die Tatsache, dass Wettbewerbsfähigkeit immer schon stark vom Verhalten der Konsument:innen beeinflusst wurde. „Hier ist ein klarer Trend zu mehr Nachhaltigkeit erkennbar. Das könnte am Ende der stärkste Treiber der Veränderung sein.“
Damit Konsument:innen diese Entwicklung aktiv beeinflussen können, müssen die Produkte, die sie nutzen, jedoch passgenau für ihre Nutzungsbedürfnisse entwickelt sein, führt Kévin Le Blévennec in der gemeinsamen Diskussion mit Greenfield an. Circular-Economy-Stratege Le Blévennec ist als Experte für das Thema Ökodesign bei der unabhängigen flämischen Forschungs- und Technologieorganisation VITO tätig.
Sein Standpunkt: Unternehmen haben mit dem Design ihrer Produkte einen entscheidenden Hebel in der Hand. Neben der Beschaffung nachhaltigerer Rohstoffe, die eine optimale Ressourcennutzung gewährleisten, können sie ihr Produkt so gestalten, dass es recycelt werden kann, und, was im Zusammenhang mit Werterhalt noch wichtiger ist, sicherstellen, dass es nach der Nutzung zerlegt und wiederaufbereitet werden kann. „Es gibt diese Zahl, die im Bereich des Ökodesigns weit verbreitet ist und die besagt, dass etwa 80 % der Umweltauswirkungen von Produkten bereits in der Designphase festgelegt werden. Wenn Unternehmen diese Potentiale erkennen und wirksam umsetzen, können sie ein neues Wertangebot schaffen und innovative neue Geschäftsmodelle auf die Bahn bringen“, so der Franzose.
Einhergehend mit den Schlussfolgerungen der anderen Expert:innen hebt Le Blévennec die Kernaussage einer aktuellen Studie hervor, an der er für die Europäische Umweltagentur mitgewirkt hat. "Der grüne und der digitale Wandel der Industrie in der EU werden heute als ein „doppelter Übergang“ bezeichnet. Dieser Übergang sollte unbedingt als eine gemeinsame Herausforderung betrachtet werden, um einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen industriellen Wandel zu ermöglichen".